
15. Siechenhaff
15. Siechenhaff
„Sichenhaff“, auf französisch „Val des bons malades“ (Tal der guten Kranken) ist die Ortsbezeichnung für einen Stadtteil von Luxemburg. Der Sichenhaff ist Teil des Pfaffenthals und beginnt hinter dem Siechentor, einem historischen Torbogen, der zur Festungsanlage gehörte.
In diesem damals vor den Stadtmauern gelegenen Tal an der Alzette stand einst das Siechenhaus. So wurde das Hospital für Leprakranke bezeichnet, denn vor der Entdeckung von effizienten Medikamenten hatten die Patienten keine Aussicht auf Heilung und starben einen langsamen, qualvollen Tod: sie siechten dahin, daher der Name „Sichenhaff“. Lepra war in früheren Zeiten auch in Europa eine häufige Erkrankung, die durch mangelnde Hygiene und Unterernährung begünstigt wird. Die Infektion wird durch engen Kontakt mit infizierten Personen übertragen. Im Mittelalter verbreitete sich die Krankheit aufgrund der Enge in den Städten und der katastrophalen Hygiene wie eine Seuche und war genauso gefürchtet wie die Pest und die Cholera.
Aus Angst vor Ansteckung isolierte man die Erkrankten schnellmöglichst. Sie wurden gezwungen, die Stadt sofort zu verlassen, daher auch die Bezeichnung „Aussätzige“, denn die Betroffenen wurden regelrecht vor der Stadt ausgesetzt. Ihren Lebensunterhalt verdienten sie fortan durch Betteln. Um von Weitem auf sich aufmerksam zu machen und gesunde Bürger zu warnen, sich ihnen nicht zu nähern, mussten die Leprakranken eine Rassel oder Klapper bei sich zu tragen. Auch durften sie nicht barfuß gehen, um eine Ansteckung durch Bodenkontakt zu vermeiden. Das Gleiche galt für das Trinken aus Brunnen, das Aussätzigen ebenfalls strengstens untersagt war.
Da es jedoch gegen die Prinzipien der christlichen Nächstenliebe verstieß, Notleidende in ihrem Elend allein zu lassen, befahl der Landesherr 1289, ein Leprosorium, wie das Siechenhaus korrekt genannt wird, vor den Stadttoren zu errichten. Zu dieser Leprastation gehörten nicht nur ein Hospital zur Unterbringung der Kranken, sondern auch eine Kapelle und ein Friedhof, denn auch im Tod sollten die Aussätzigen weiterhin isoliert bleiben. Die Pflege der Kranken übernahmen Mönche und Nonnen, die sich ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit und das eigene Leben in den Dienst ihrer notleidenden Nächsten stellten.
Mitte des 18. Jh. verschwand die Lepra aus Luxemburg und so wurde das Siechenhaus 1770 definitiv geschlossen. Von diesem Leprosorium sind heute noch der Friedhof und die Kapelle Saint-Pierre-Martyr erhalten, die als Leichenhalle genutzt wird.
Interessantes Detail
In Luxemburg wird seit dem Mittelalter jedes Jahr am dritten Sonntag nach Ostern der „Fliederchersdag“ abgehalten, an dem selbst gemachte Eiertörtchen, auf luxemburgisch „Fliedercher“ oder auch „Eeërfliedercher“ oder „Blatzfliedercher“ genannt, erst in der Kirche gesegnet und danach verkauft werden. Der Erlös kam den Leprakranken zugute. In den 1970er Jahren wurde dieser alte Brauch durch den lokalen „Interesseveräin Pafendall-Sichenhaff“ wiederbelebt. Der Erlös geht heute an Wohltätigkeitsorganisationen, die kranke Menschen in aller Welt unterstützen.
Bedeutung für die Menschenrechte
Das Siechenhaus war eine Einrichtung, die zwar der Isolierung von Menschen diente, aber die gleichzeitig auch den Kranken ein menschenwürdiges Lebensende ermöglichte. Obwohl die Gesellschaft die Leprakranken nicht in der Stadt duldete, aus wohl begründeter Angst, setzten sich auch damals bereits Menschen für die schwer vom Schicksal Getroffenen ein.
Die Einrichtung von Leprosorien in Europa ist demnach auch positiv zu sehen: einerseits schützte man die Gesunden nach damaligem Wissen und bestem Gewissen, andererseits sorgte man für die Kranken mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.
Artikel 22
Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit.
Artikel 25
Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohl gewährleistet.