
1. Abtei Neumünster
1. Abtei Neumünster
Die Abtei Neumünster entstand von 1543 bis 1544 nach der Zerstörung der Altmünster Abtei auf dem gleichnamigen Plateau. Die französische Verwaltung errichtete 1798 in dem ehemaligen Klostergebäude ein Gefängnis und eine Kaserne für die Gendarmerie.
Zu Beginn des 19. Jh. gehörte die Anlage dem Wohltätigkeitsamt, das hier die Waisenkinder der Stadtgemeinde unterbrachte.
Seit 1815 wurde die Abtei als Militärhospital für die in Luxemburg stationierte Garnison des Deutschen Bundes genutzt. Nach Abzug der preußischen Garnison 1867 wurde die Abtei wiederum in ein Gefängnis umfunktioniert. In der Tat benötigte Luxemburg dringend eine Justizvollzugsanstalt, denn nach der Unabhängigkeitsbewegung im Jahr 1830 wurden alle luxemburgischen Strafgefangenen, die vorher im heutigen Belgien einsaßen, jetzt nach Luxemburg zurückgebracht. So diente die Abtei von 1869 bis 1985 als Strafanstalt.
Durch die Industrielle Revolution und die anfänglich miserablen Arbeits- und Wohnverhältnisse stieg die Kriminalitätsrate in Luxemburg stark an. Im Jahr 1879 gab es 130 Inhaftierte, im Jahr 1918 waren es bereits 436.
Obwohl man versuchte, das Gefängnis etappenweise zu vergrößern, änderte sich wenig an den mittelalterlich anmutenden Haftbedingungen. Schlechte und billige Ernährung, die zum Großteil aus Speck und Kartoffeln bestand, katastrophale hygienische und sanitäre Verhältnisse in den Zellen, Ratten und anderes Ungeziefer trugen das ihre dazu bei, dass die meisten Häftlinge an Leib und Seele erkrankten. Die Selbstmordrate lag noch in den 1970er Jahren in dieser Haftanstalt deutlich höher als in anderen europäischen Gefängnissen. Es sollte bis zum Jahr 1985 dauern, ehe mit dem Umzug in die neue Haftanstalt in Schrassig endlich auch für Luxemburger Straftäter zeitgemäße und menschenwürdige Verhältnisse geschaffen wurden.
Eine besonders traurige Funktion hatte die Abtei Neumünster während der deutschen Besatzungszeit im 2. Weltkrieg. Viele von der Gestapo verhaftete Widerstandskämpfer kamen nach den brutalen Verhören in der Villa Pauly übergangsweise in das Gefängnis in Stadtgrund, ehe sie in deutsche Konzentrations- oder Arbeitslager gebracht wurden. Viele Familien der Inhaftierten standen auf der Corniche, dem Weg entlang des Festungswalles, um einen letzten Blick auf ihre Liebsten werfen und sich von ihnen verabschieden zu können, ehe diese hinter den dicken Gefängnismauern verschwanden. Insgesamt passierten rund 3.700 Luxemburger Patrioten und Widerstandskämpfer in den Jahren 1940-1944 das „Zwischenlager“ in Stadtgrund. Viele von ihnen überlebten die Gefangenschaft in den Lagern nicht.
Nach größeren Umbau- und Restaurierungsarbeiten wird die Anlage seit 2004 für soziokulturelle Veranstaltungen, Ausstellungen und Konzerte genutzt. Das „Centre Culturel de Rencontre Abbaye de Neumünster“ hat seither als beliebter Treffpunkt für Künstler, Wissenschaftler und Kulturinteressierte aus aller Welt eine neue, positive Funktion bekommen.
Interessantes Detail
Bericht von den Haftbedingungen in Neumünster im Jahr 1939:
„Für eine durchschnittliche Belegschaft von 150 Zuchtpolizeigefangenen verfügt die Anstalt nur über 38 Einzelzellen. Die Mehrzahl der Gefangenen dieser Kategorie ist untergebracht in gemeinsamen Schlafräumen. Man stelle sich einen Raum von 6x7 Meter vor, in dem durch Holztrennwände 8 kleine Kojen eingerichtet und mit Maschendrahtbedachung versehen sind. Licht und Luft haben nur die beiden Zellen an den Fenstern. In diesen Räumen werden von 7 Uhr abends bis 7 Uhr morgens 8 Gefangene eingeschlossen und sich selbst überlassen.
Bei dem geistigen Tiefstand der meisten Gefangenen und der bunten Zusammensetzung einer solchen Quartier-Belegschaft kann man eine Vorstellung gewinnen von der angerichteten sittlichen Verhehrung. Wer bei der abendlichen und nächtlichen Unterhaltung nicht mitmacht, wird in unglaublicher Weise belästigt oder mit den erniedrigendsten Beschimpfungen bedacht. An Ruhe und Schlaf darf er überhaupt nicht denken.“
Bedeutung für die Menschenrechte
In Neumünster wurden die elementarsten Grundrechte der Gefangenen mehr als ein Jahrhundert lang verletzt. Die Haftbedingungen waren menschenunwürdig und die Insassen wurden oft physisch und psychisch misshandelt. Die Geschichte von Neumünster macht uns bewusst, wie wichtig es ist, die Würde aller Menschen zu schützen und zu verteidigen.
Artikel 1
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.
Artikel 5
Niemand darf der Folter unterworfen werden.
Artikel 9
Niemand darf willkürlich festgenommen oder des Landes verwiesen werden.
Artikel 25
Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der Gesundheit und Wohl gewährleistet.