Die Bock- und Petruss-Kasematten
Begleiten Sie Anabela und Jorge von diariesof tief abtauchen, ins Innere der Stadt, und die Geschichte einer unbekannten Welt entdecken: die der Kasematten.
Ob Sie als Geschichtsfan die Vergangenheit spüren möchten oder als Abenteurer auf der Suche nach einem Erlebnis sind - die Kasematten von Luxemburg-Stadt warten mit einer fesselnden Geschichte und uralten Steinmauern auf Sie. Diese im 17. Jahrhundert errichteten unterirdischen Befestigungsanlagen sind mehr als nur Schutz vor der Sommerhitze oder dem Winterregen; sie sind ein lebendiges Zeugnis vergangener Zeiten. Jeder Schritt durch die Gänge lässt die Vergangenheit aufleben, wo Soldaten im Licht flackernder Fackeln ihre Posten hielten, und Belagerungen trotzten.
Seit 1994 sind die Befestigungsanlagen, und somit auch die Kasematten, als UNESCO-Welterbe gelistet. Sie laden dazu ein, die Geschichten ihrer Mauern auf geführten Touren zu erleben. Hier entdeckt man verborgene Kammern, atmet die kühle Luft und lauscht dem Echo, das noch die Stimme der Geschichte zu tragen scheint. Ein Besuch ist eine Zeitreise, die die Magie und das Erbe Luxemburgs auf eindrucksvolle Weise enthüllt.
Ein Stück Geschichte, die es in sich hat
Der Bock-Felsen hat eine lange Geschichte, die bis ins 10. Jahrhundert zurückreicht, als Graf Siegfried seine Festung darauf errichtete. Der Komplex der Kasematten wurde jedoch viel später erst gebaut. Die Spanier begannen 1644 mit dem Bau, wobei sie die Keller der mittelalterlichen Burg als Grundlage nutzten. Der berühmte französische Militäringenieur Vauban erweiterte sie in den 1680er Jahren, und die Österreicher setzten die Arbeiten Mitte des 18. Jahrhunderts fort.
Jahrhundertelang war die Festung Luxemburg, bekannt als das Gibraltar des Nordens, ein wichtiger Bestandteil der europäischen Verteidigung. Der Londoner Vertrag von 1867 verlangte jedoch ihre Zerstörung, um die Spannungen zwischen Frankreich und Deutschland zu entschärfen. Während die oberirdischen Befestigungen problemlos abgerissen werden konnten, gestaltete sich die Zerstörung der gewaltigen unterirdischen Kasematten als weitaus schwieriger, da dies ohne Beeinträchtigung der Stadt kaum möglich war. Deshalb gibt es heute noch um die 17 Kilometer dieser unterirdischen Verteidigungsanlagen.
Sind Sie bereit in die Vergangenheit der Stadt zu reisen und zwei unterschiedlichen Teile dieser historischen Kasematten zu besuchen?
Die Petruss-Kasematten, in der Nähe der „Gëlle Fra-Statue warten auf Sie und die Bock-Kasematten, rund 500-Meter entfernt auf der Montée de Clausen, in der Nähe der historischen St. Michael Kirche.
Petruss-Kasematten: Vergangenheit hautnah erleben
Stellen Sie sich vor, wie sich die ersten Besucher vor 90 Jahren gefühlt haben müssen, als sie sich, nur mit Fackeln in der Hand, in diese dunklen Felstunnel wagten. Heute erkunden wir diese gut beleuchteten unterirdischen Verteidigungsanlagen auf viel komfortablere Weise. Dennoch bleibt ein Hauch von Geheimnis erhalten. Dies wird uns bereits am Eingang bewusst, wo neonbeleuchtete Begriffe wie „Champagner“, „Pilze“, „Bier“, „Bomben“ und „Beckett“ auf die faszinierenden Geschichten hinweisen, die diese Kasematten bergen. Unser begeisterter Begleiter enthüllt eine nach der anderen dieser Geschichten, während wir tiefer in das unterirdische Labyrinth vordringen.
Mit seinen spannenden Erzählungen enthüllt er die facettenreiche Geschichte der Kasematten, die nach ihrem militärischen Einsatz im Jahr 1867 eine neue Nutzung fanden. Von Schießständen zu Pilzfarmen, von der Lagerung von Champagner bis hin zu Bierkonzerten – die Kasematten haben im Laufe der Jahrhunderte eine bemerkenswerte Transformation durchlaufen. Die Begeisterung unseres Begleiters ist ansteckend, während er uns diese faszinierenden Geschichten lebendig näherbringt.
Ein multimediales Abenteuer durch die Zeit
Plötzlich stehen wir vor einem prächtig dekorierten goldenen Bogen – eine Hommage an die Statue der „Gëlle Fra“. Der Bogen markiert exakt den Punkt, an dem die berühmte Statue über uns thront. Als wir weiter in die Galerien vordringen, durchbricht ein tiefes, grollendes Geräusch die Stille – das Dröhnen von Jagdbombern. Es erinnert uns mit Gänsehautgefühl an die Rolle der Kasematten während des Krieges, als sie mehr als 30.000 Menschen Schutz boten. Kurz darauf erreichen wir eine kleine Galerie im Felsen, in der eine Videoanimation läuft. Die Hauptfiguren dieser Erzählung sind der Bock-Fels und der Petruss-Fels selbst, die in einem emotionalen Dialog die Geschichte der Festung, der Kasematten und ihrer Bedeutung für die Menschheit beleuchten.
Auf den Spuren der Geheimnisse
Während wir uns dem Ende der Petruss-Kasematten nähern, taucht plötzlich eine mächtige Kanone vor uns auf. Einst diente sie als stolzer Verteidiger der Stadt und erinnert heute eindrucksvoll an die strategische Bedeutung dieser geschichtsträchtigen Mauern.
Im Schein der Lichter, die die unterirdischen Gänge erhellen, entdecken wir, dass selbst hier Pflanzen wachsen – ein beeindruckender Beweis für die erstaunliche Anpassungsfähigkeit der Natur. „In diesen Höhlen gedeihen nicht nur Pflanzen“, erklärt unser Begleiter und deutet auf watteähnliche Gebilde, die an den Wänden hängen. „Auch Spinnen leben hier. In diesen Kokons befinden sich ihre Eier.“ Fasziniert blicken wir auf die kleinen, schimmernden Kugeln. Es handelt sich um eine endemische Art, die ausschließlich in den Kasematten Luxemburgs vorkommt und eng mit der europäischen Höhlenspinne Meta menardi verwandt ist – ein einzigartiger Bewohner dieses besonderen Lebensraums. Als wir schließlich aus den Kasematten herauskommen, befinden wir uns im schönen Petruss-Tal. Der Kontrast zwischen der historischen Untergrundwelt, die wir soeben erkundeten, und dem ruhigen Petruss-Tal ist enorm und erinnert uns an die einmalige Schönheit der Stadt.
Bock-Kasematten: Wo Geschichte auf grandiose Aussichten trifft
Wir schlendern von der Petruss zum Bock-Felsen, bereit für eine Führung durch die Bock-Kasematten, die ein ganz anderes Erlebnis versprechen. Hier verlaufen die Gänge und Kammern weniger tief, und durch die Öffnungen auf beiden Seiten des Felsens dringt viel mehr natürliches Licht ein. Es fühlt sich fast so an, als würde man durch einen gigantischen Schweizer Käse mit zahllosen Löchern wandern, die atemberaubende Ausblicke auf das Grund-Viertel und das Pfaffenthal-Viertel freigeben. Jeder Schritt durch diese lichtdurchfluteten Tunnel enthüllt neue Perspektiven und lässt die geschichtsträchtigen Mauern noch lebendiger erscheinen.
Beim Betreten der in den Bock-Felsen gehauenen unterirdischen Galerien tauchen wir in eine vergangene Welt ein, die nur schwer vorstellbar ist. Vor Hunderten von Jahren beherbergten diese Gewölbe 1.200 Soldaten, die Schulter an Schulter mit ihren Pferden lebten, während sie sich auf Belagerungen vorbereiteten oder diese abwehrten. Die Wände, die uns heute umgeben, erzählen von harter Disziplin, Anspannung und Kameradschaft. Und wenn man die Kühle des Steins spürt, mag man sich fragen, wie oft die Soldaten ihre Hoffnungen und Ängste in die endlosen Tunnel flüsterten.
Ein lebenswichtiger Brunnen inmitten dieser Steinwelt versorgte die Besatzung mit frischem Wasser – eine unersetzliche Quelle des Überlebens, die mehr als einmal den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage bedeutete. Doch die Kasematten waren weit mehr als eine Festung. Sie waren eine Stadt unter der Erde, in der Werkstätten, Küchen, Bäckereien und sogar Schlachthäuser existierten. Man kann sich vorstellen, wie hier einst Brot gebacken, Werkzeuge geschmiedet und Mahlzeiten für Hunderte zubereitet wurden. Die Luft war erfüllt von einem Gemisch aus Rauch, Eisen und dem Echo von Stimmen, die den Alltag lebendig hielten.
Selbst prominente Persönlichkeiten fanden hier Schutz und Zuflucht. Der österreichische Feldmarschall Baron von Bender war so beeindruckt von dieser Befestigung, dass er sie im 18. Jahrhundert zu seiner Heimat machte. Acht Monate lang lebte er hinter diesen Mauern, schlief, plante und entschied über das Schicksal der Stadt – ein stummer Beweis für die Bedeutung dieser Stätte.
Mit der Zeit wandelte sich die Funktion der Kasematten von militärischer Stärke zu einem Ort der Kunst und Kultur. 1964 füllte sich die Dunkelheit der Gänge erneut mit Leben, als die Theatergruppe des luxemburgischen Schauspielers Tun Deutsch hier einzog. Die düsteren, geheimnisvollen Tunnel und Galerien boten eine Bühne für avantgardistische Stücke, darunter Werke von Samuel Beckett. Die Vorstellungen in diesem ungewöhnlichen Ambiente waren mehr als Theater – sie waren Erlebnisse, die das Publikum mit der besonderen Atmosphäre verschmolzen ließen, während sich das Flüstern vergangener Zeiten mit den Stimmen der Gegenwart mischte.
Eine Reise durch Geschichte und Architektur
Die Kasematten von Luxemburg-Stadt sind ein wahrer Schatz – eine Symbiose aus Geschichte, architektonischer Meisterleistung und menschlicher Kreativität. Jeder, der hierherkommt, begibt sich auf eine Reise in die Vergangenheit, erfährt von Belagerungen, Alltagsleben und künstlerischem Ausdruck. Diese Gänge sind nicht bloß Stein und Mörtel; sie sind lebendige Zeugen einer aufregenden Geschichte, die darauf wartet, entdeckt zu werden.
diariesof
Anabela und Jorge Valente, selbst begeisterte Reisende, sind die Gründer des unabhängigen Reisemagazins diariesof. Mit einer großen Leidenschaft für authentische Erfahrungen erkunden sie die Welt auf ihrem Motorrad, tauchen in fremde Kulturen ein und geben sich dem Abenteuer hin. Wenn sie gerade zu Hause in Luxemburg unterwegs sind, entdecken sie auch gerne ihre Heimat neu. In diesem Artikel der Stadterlebnisse geben Anabela und Jorge ihre Empfehlungen und persönlichen Erfahrungen an Besucher der Hauptstadt weiter.
Unter vielen anderen Magazinen mit Fokus auf ferne Länder haben sie auch ein inspirierendes Magazin über Luxemburg veröffentlicht, das auf ihrer Website erhältlich ist.
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